05. Von der Hälfte.

 

Ganz oder gar nicht. Einfach und genial. Aber wie so vieles im Leben eben manchmal doch daneben. Die Hälfte ist was tolles. Oft unterschätzt. Manchmal schlicht der Himmel. Das Leben eben. Mittendrin. Auch ein Weg zum Glück….. Ich bin jetzt bei der Hälfte meiner Auszeit angekommen. Halbzeit. Ganz weg. Mittendrin in meinem wundervollen Aus-Zeit-Leben.

Über das halbe Italienerin sein bin ich schon hinaus. La Midi -  dem aufmerksamen Leser aus meinen vorherigen Essays bekannt - habe ich kürzlich beim Einkaufen getroffen. Bo, che bella! meinte Sie. Ich wäre schon wieder so hübsch angezogen. Und ich würde ja überhaupt nicht aussehen wie eine Deutsche. War als großes Kompliment gemeint. Inzwischen habe ich auch eine goldene Hautfarbe, die in diesem wunderschönen Licht die Haut strahlen lässt. Keine braune Haut. Goldene Haut. Ich gehe ja nicht viel in die Sonne. Nur eben jeden Tag im Meer. baden. Jeden Tag. Was dieses Ritual wohl am Ende mit mir macht? Im Augenblick goldene Hautfarbe.

Licht. Immer wieder Licht. Ich staune immer wieder. So schön. Das ist fast nicht zum Aushalten. Mild. Heimelig. Jeden Tag. Zu welcher Tageszeit. Jetzt sitze ich wieder bei Sonnenuntergang in meiner Lieblingsbar am Hafen. Da ist das Licht natürlich einfach nur perfekt. 100%. Mehr geht nicht. Von irgendwelchen halben Sachen weit entfernt. 

 

Halbe Sachen. Die mache ich natürlich nicht. Aber ich feiere die Hälfte. Ganz. In Florenz habe ich vor ein paar Tagen Schuhe gekauft. Halbe Schuhe. Aber ganz gekauft. Ganz klar. Was macht man denn sonst einen Sommer lang in Italien? Schuhe kaufen. Im Meer Baden. Halbe Italienerin sein. 

 

Hälfte. Mitte. Midlife. Ich fühle mich in der Mitte des Lebens angekommen. Gänzlich ohne crises. Einfacher nur angekommen. Und fühle mich total wohl hier in der Mitte. Keine Sorge. Keine rechnerische Mitte. Ich muss nicht nicht 100 werden. Einfach nur gefühlte Mitte. 

Darüber habe ich mit der älteren Dame aus Florenz gesprochen, mit der ich mich fast jeden Tag unterhalte. Sie verbringt auch den Sommer hier. Eine ganz feine Dame. Mitte des Lebens findet sie toll. Ende des Lebens übrigens auch. Der Rettungsschwimmerin meines Lieblingsstrandes hat sie dann erzählt, ich sei 50. Was ich ja auch bald bin. Die Rettungsschwimmerin wiederum hat mich dann vorhin angesprochen, sie glaube nicht dass ich 50 sei. Sie habe mich auf 29 geschätzt. Wenn das mal nicht die Welt hochwerfen ist. Und wenn das mal nicht hier in Lerici angekommen bedeutet.

 

Mein Lieblingsstrand ist il molo - die Hafenmole. Cooler als der klassische Sandstrand. Begrenzt die Bucht von Lerici. Blick zu den Booten. Blick aufs weite Meer. Jeden Tag. Auf den großen Molesteinen liegen. Das goldene Licht aufsaugen. Von der Schönheit überwältigt. 

 

 

Und ja. Jetzt kommt sie endlich. Keine Diskussion über die Hälfte ohne das halb volle Glas, das nicht halb leer ist. Wenn ihr mich fragt, der größte Scheiß. Was ist denn gegen ein halb leeres Glas auszusetzen? Ein zur Hälfte gelebtes Leben? Da hat jemand doch schon ein halbes Glas getrunken. Ein Halbes Leben gelebt. Genossen. Freudiger Rückblick auf den vergangenen Genuss. Vorfreude auf die nächste Hälfte. Basta. 

Aber noch einmal zurück zu Bo, che bella… Als Erweiterung der italienischen Gesten in 04 möchte ich euch sprachtypische italienische Zwischenlaute vorstellen. Erst wenn du die beherrscht, bist du in eine Spreche wirklich eingetaucht. Und im italienischen einfach nicht wegzudenken. Der Lieblingszwischenlaut von La Midi ist bo. Kurz gesprochen. Kommt aus der Brustgegegend. Ein bisschen wie ausgekotzt. Aber deutlich anders als rülpsen. Die Bedeutung des bo ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Drückt einen Widerspruch aus. Aber. Aber wie schön du ausschaust (… obwohl du Deutsche bist). Kann aber auch weiß nicht heißen. 

Mein persönlicher Lieblingszwischenlaut ist ä. Wieder kurz ausgesprochen. Und irgendwie bewegt sich dabei immer der Kopf. Kinn kurz nach vorne. Schildkröte im fast forward. Hat nichts mit dem deutschen Ääääh, ich weiß nicht was ich sagen soll zu tun. Heißt schlicht JA. Zustimmung. Kann auch kombiniert werden mit si. Als si ä. Oder als ä si. 

 

Nachschlag vom 01. August. 

Ups. Es ist August. Der Text vom 20.07. lag eine Weile rum… Die Besucherwelle ist angerollt. Seit über drei Wochen lieben Besuch. Der eine gibt dem andern die Klinke in die Hand. Und ich habe noch mehr zu tun als vorher. Ja. Noch mehr. Das organisieren des Alltags geht ja schließlich auch weiter. Italienischer Alltag. Gerade habe ich wieder zwei Vormittage - zwei halbe Vormittage - mit meinem Vermieter, dem Internet- und dem Waschmaschinenanschluss verbracht. Das Wasser war auch mal eben weg. Dafür habe ich jetzt umso mehr Wasser. Richtig Druck. Für alle Gäste, die es bisher anders erlebt haben, jetzt solltet ihr hier duschen. Große Freude. Und alles wieder im Fluss. Ich bin jetzt wieder so richtig online. Online sein. Glücklich sein. Euch schreiben. Wenn auch mit kleiner Pause. 

 

Aber nochmal zurück zu den Zwischenlauten. Wer oben schon mitgegrunzt hat - bo - ä- Schildkrötenkinn… bravo. Aber damit da nichts verrutscht habe ich nach authentischen italienischen Demonstranten gesucht. Scheu gehabt. Und doch gefunden. Gestern. Meine Nachbarin an ihrem Küchentisch. Großer Spass. Videos bitte unbedingt runterladen. 

 

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Dann eine Freundin, die ich vom Kajak fahren kenne. Wieder großer Spass. Da kann man nicht nur mitgrunzen, sondern auch mitlachen. 

 

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Und zu guter letzt eine Freundin vom Kajakverleih.

 

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Dario und Yazmaina von Kayak Bueno Onda haben mir neben dem Video noch ein anderes, ein unvergessliches Geschenk gemacht. Eine Kanufahrt! Meine erste. Jungfernfahrt. Und die gleich in den übernächsten Ort. Nach Tellaro. Über das am Nachmittag doch nicht ganz ruhige Meer. Das weite Meer… Zusammen mit einigen Freunden. Und mit Nathan Pagallo. Grazie mille per le foto, Nath. 

 

 

Aber das unvergessliche an dem Geschenk war nicht das Entjungfern, sondern die Heimfahrt. Nach fast zwei Stunden Fahrt nach Tellaro und einem netten Weißwein als aperitivo war ich dann eigentlich bedient. Sonnenuntergang. Alles fein. Und wurde doch noch einmal unverhofft geflashed. Kajak fahren nach Sonnenuntergang. Wind und Wellengang abgeebbt. Sanftes rotes Licht auf den weichen Wellen. Himmel und Meer verschmelzen. Tag und Nacht. Wasser und Luft. Wasser und Wein. Ruhe. Frieden. Es war dann irgendwann so dunkel, dass ich keinen mehr gesehen habe. Allein mit mir. Nicht ganz…. Da war noch das hier allseits präsente Militär. Die haben nicht unweit geübt. Was auch immer. Das Paradies wird bewacht. Wir sind trotzdem alle heil, ja glücklich angekommen. 

Seitdem habe ich eine neue Leidenschaft. Was mache hier also den ganzen Tag? Wenn ich mal nicht weiß, was, eben eine Stündchen Kajak fahren. Ich mache weiter keine Werbung. Aber wer mal die Gelegenheit hat, sollte sich hier in Lerici an Dario und Jazmina von Kayak Buena Onda wenden. Nicht nur abends ein Hochgenuss.

Genuss. Hochgenuss. Sonne. Jetzt auch hier Hitze.  

Bacio. Tania.