Angekommen à Milano. Ganz schnell. Das italienische tut gut. Eine wundervolle Sprache und einfach ein gutes Lebensgefühl. So recht begreife ich es noch nicht. Aber meine Auszeit hat tatsächlich begonnen.

Kaum ausgestiegen aus dem Zug ist das Thema klar. „Se davvero volete sognare, svegliatevi!“ Daniel Pannac - Wenn ihr wirklich träumen wollt, wacht auf! springt mir aus einem Schaufenster entgegen. Mailand ist eine Ansammlung von aufgewachten träumenden Menschen. In dieser Stadt ist Italien am machen. Diese Welt hat schon jemand hochgeworfen. Und ich mittendrin. Wir mittendrin. Den Anfang der Reise teile ich mit einer ganz lieben Freundin. Milano ist immer wieder ein Genuss.
Ich fühle mich schon ganz schön angekommen im Wegsein. Dass ich vor ein paar Tagen noch in einer ganz anderen Welt war, ist ziemlich weit weg.
Und überall hier sehe ich erfüllte Träume. Geht doch. Gut - ich erlebe auch hier Menschen, die sehr weit weg sind von erfüllten Träumen. Armut. Hässlichkeit. Eingeschlossen sein, in einer Welt ohne Träume. Oder gar gelebte Alpträume. Dabei ist alles da. Für uns alle. Überall. Jeder Traum. Hier und jetzt à Milano sehe ich das ganz besonders.
Wir übernachten im base. Bitte nicht englisch aussprechen. Noi siamo italiani - wir sind Italiener, habe ich letztes Jahr schon gelernt. Also bitte italienisch - in diesem Fall wie deutsch - aussprechen. Ein Projekt im Ex-Ansaldo, einem ehemaligen Fabrikgelände in der Via Tortona, die ich als meinen persönlichen Design-Himmel im letzten Jahr bereits kennengelernt habe. Und funktioniert immer noch. Idee. Machen. Können. Design.
Das base Milano hat auch ein paar Gästezimmer, die einfach gigantisch sind. Casa base. Ansonsten Coworking. Veranstaltungen. Gastronomie. Und ganz viel Liebe zum Design. Improvisiert oder auf höchstem Niveau. Gelebte Liebe zum Design. Gelebte Träume. Im Ex-Ansaldo ist dann auch das Mudec. Museo delle culture. Die Treppe hoch und dem Himmel so nah. Danke David Chipperfield.

Daneben die laboratori del Teatro della Scala - die Werkstätten der Scala. Hier werden Träume gebaut, die nachher auf die Bühne kommen. Früher wurden hier Züge gebaut. Überall im Ex-Ansaldo werden Träume wahr. Wie kleine Ausbrüche. Plopp. Plopp. Traumfabrik.
Hier eine Werkstatt. Dort der Hauptsitz von Armani und die Armani / Silos. Giorgio hat sich ein Museum gebaut. Der Stoff aus dem Träume sind wird hier auf mehreren Stockwerken inszeniert. Ganzheitlich möchte ich fast sagen. Imposant. Alles so nett hier. Nette Musik. Nette Museumswächter in schwarzen Armani-Anzügen. Hier riecht es sogar gut. Nach Armani? Das ist also Giorgios Traum… Aber Giorgio hat sich nicht nur seine eigenes Mausoleum gebaut. Er investiert auch in Ausstellungen. Und in Architektur. Und immer wieder Architektur als gebauten Traum.
Heute haben wir das Spektakel vor der Armani Fashion show erlebt. A Milano ist gerade Men´s Fashion week. Bevor wir dann die Amani/ Silos besucht haben. Alles in direkter Nachbarschaft.
Als Paparazzi eigne ich mich nicht besonders gut. Aber mein iPhone und ich haben alles gegeben, die besondere Atmosphäre einzufangen. Ein schöner und entspannt spannender Traum.
Mode message von heute: Jungs, definitiv keine Socken mehr! Zu keiner Hose. Zu keinem Anzug. Zu keinem Schuh. Socken erst wieder ab Oktober! Schaut her! Und ja. Rein theoretisch weiß ich, dass Menschen auch Vorderseiten haben. Manche haben es mir einfach gemacht. Aber die anderen… der Paparazzi in mir ist wie gesagt ausbaufähig. Die Styles von hinten allerdings auch sehenswert.
Also keine Socken. Außer die Socken sind ein Statement...
Auch Prada hat sich einen Kunsttempel gebaut. Ohne Mode. Nur Kunst. Fondazione Prada. Was passiert, wenn man einem Stararchitekten wie Rem Kohlhaas einen Riesenbatzen Geld in die Hand gibt, eine ehemaliges Fabrikgelände und ihm einfach nur mitgibt: have fun!? Ach, und wir wollen nachher bisschen Kunst ausstellen… So stelle ich mir diese Architekten-Bauherren-Konstellation immer vor. Ein Traum wird wahr. Auch wenn es die Kunst in diesem Architekturtfeuerwerk der Spitzenklasse doch schwer hat. Inzwischen ist auch der Torre - der Turm fertig, den ich letztes Jahr noch nicht gesehen habe. Ganz fertig ist er noch nicht. Die Dachterrasse muss ich wohl ein andermal besuchen. Ich komme wieder! Und trotzdem gibt es eine Bar mit Terrasse und einer gigantischen Rooftop Atmosphäre. Ein wunderbarer Ort für einen aperitivo. Und wieder zum Träumen.
Mailand war schon vor 30 Jahren, als ich hier gelebt habe, eine Stadt des Geldes. Inzwischen werden mit dem Geld Träume realisiert. Aus Geld machen ist Träume machen geworden. Die Zusammenhänge zwischen beidem sind spannend. Nicht nur à Milano. Manche Menschen wollen ihre Träume ausschließlich mit Geld realisieren. Die mag ich nicht. Arg mager. Und wenig Glück versprechend. Andere glauben, Geld hindere sie an der Realisierung ihrer Träume. Geld stinkt. Genauso blöd. Wo ist der Weg zu realisierten Träumen, zu erfülltem Glück? Im Grunde haben Geld und Glück ursächlich nichts miteinander zu tun. Träume entstehen aus dem machen.
Wenig Geld, viel machen und viel Glück findet man in der der Cascina Cuccagna. Un Posto a Milano. Ein alter Bauernhof, der mitten in einem Mailänder no name Stadtteil wie ein Ufo gelandet ist und von vielen engagierten Menschen zu einem friedlichen Ort umgenutzt wurde. Realisierte Träume wachsen. Vom entzückenden Blumenladen über die Yogagruppe bis zum Bio-Restaurant. Und wieder Gästezimmer… Ich habe gestern in der offenen Küche zugeschaut wie hier italienische Köche und Bio zusammentreffen. Traumhaft. Traumhaft lecker.
Aber mein Lieblingsort hier à Milano ist und bleibt der Pirelli Hangar Bicocca. Ein Ort. Ein Traum…
The dream machine is alseep. So die aktuelle Ausstellung von Eva Kot´átková. Wieder Träume. Neben so vielem anderem dort hat mich das titelgebende Werk fasziniert. Glücklich gemacht. Kinder sprechen unten in ein Mikrofon Ihre Träume. Und oben liegst du in einem 15 qm großen Bett auf flauschiger Federdecke und hörst dir die Träume der Kinder an. Wer die italienische Sprache noch nicht liebt, sollte hierher kommen. Da sprechen kleine Mädchen von Frühstück mit Sonnenaufgang über dem Meer. Und einem Brioche. Molto dolce - sehr süß…. Vögel. Katzen. Schmetterlinge. Mein neues Lieblingswort aus der letzten Italienischstunde. Coccola - sie schmust. Ein kleiner Junge träumt einen Ferrari zu fahren und ein Autorennen zu gewinnen. Der wird mal ein richtiger Italiener. Aber er spendet danach die Hälfte des Geldes an Flüchtlinge und Kranke, weil er keinen leiden sehen will. Traumhaft. Und ein anderer kleiner Junge träumt davon Fußballweltmeister zu werden. Ja. Bitte träum weiter…
Und dann einen aperitivo zum Schluss!
Umarmung. Tanja